RALF SCHENK
Ÿber den Luxus der Leere und das, was findige Leute daraus machen
Erinnern wir
uns: Gleich nach der deutschen Vereinigung kamen zwei Komšdien ins Kino, die
dem Osten ein rasantes Verschwinden von moderner Industrie und Landwirtschaft
prophezeiten. In Vadim Glownas "Der Brocken" (1992), einer auf der
Insel RŸgen spielenden Familiengeschichte, wandten sich die Einheimischen nach
einer Phase der Resignation dem Kochen von KonfitŸre und dem Stricken von
StrŸmpfen aus eigener Schafswolle zu. Schon zuvor hatte Wolfgang BŸlds
"Das war der wilde Osten" (1990) gezeigt, wie ein liebenswerter
Dresdner Tausendsassa eine kleine Gartenzwergfabrik erbt und mit ihr gleich
eine ganze Region rettet. Die ostdeutsche Provinz, so meinte damals eine
Kritikerin, erblŸhe in diesen Filmen "als lŠndliche Idylle, als
vorindustrielles Paradies, als eine Art Garten Eden".
Das ist
inzwischen durchaus keine heitere Utopie mehr. Au§er in einigen prosperierenden
Regionen haben sich die grš§eren Industrien und die industrialisierte
Landwirtschaft aus den fŸnf neuen LŠndern weitgehend verabschiedet. WŠhrend
Soziologen schrumpfende StŠdte, leere Dšrfer und ŸberflŸssige Standorte
konstatieren, will die Politik die Menschen auf eine Arbeitsgesellschaft
vorbereiten, die es nie wieder geben wird, und simuliert Arbeit, die keiner
mehr braucht. Mit einer solchen Bestandsaufnahme wollten sich Daniel Kunle und
Holger Lauinger in ihrem Film "Neuland" (2006) nicht zufrieden geben.
Stattdessen suchten sie nach Leuten, "die sich nicht dem scheinbar
Notwendigen beugen, sondern die Chance zum Experimentieren freudig ergreifen,
weil sie, statt Ÿberall Brachen und Verlust, lauter unerschlossene
MšglichkeitsrŠume sehen", wie der Architekt und Publizist Wolfgang Kil in
seinem Buch "Luxus der Leere" schreibt.
So erlebt die
Vision aus dem "Brocken" in "Neuland" ihre vollkommen ernst
gemeinte Wiederauferstehung. Zwei junge MŠnner aus dem Vogtland versuchen sich
an einer Schneckenzucht und denken darŸber nach, bald auch den ersten
vogtlŠndischen Wein anzubauen. Ein Bauer aus der NŠhe von Leipzig nutzt die
versteppten FlŠchen ehemaliger Braunkohletagebaue, um hier seine Bisons zu
weiden. In einem Dorf im Landkreis MŸritz denken Einwohner darŸber nach, wie sie
die benštigte Energie aus der eigenen Landwirtschaft filtern kšnnen: "Dann
bleibt die Wertschšpfung im Ort. Denn wir sehen nicht ein, dass die
Energiekonzerne jedes Jahr rund 150 000 Euro aus unserem Dorf
herausholen." Und in Sachsen-Anhalt wurde die KomplementŠrwŠhrung des
Urstromtalers erfunden, um wirtschaftliche KreislŠufe im eigenen Umfeld
anzukurbeln. Besinnung aufs Regionale als Alternative zur Globalisierung.
Arbeit statt Arbeitslosigkeit, Ideen statt Klagemauern. Oder wie es ein Mann
sagt, der ein stillgelegtes Kraftwerk in der Lausitz zu einer Schaubrauerei
umbaut und auf einen Investor aus dem nahe gelegenen Bšhmen hofft: "Wir
sind doch keine Insel der Frustrierten."
"Neuland",
der in der Reihe "Der neue Osten im neuen deutschen Film" neben Produktionen
wie Valeska Grisebachs "Sehnsucht" und Matthias Keilichs "Die
Kšnige der Nutzholzgewinnung" lŠuft, ist ein lakonischer und polemischer
Film. Er lŠsst Lethargie und Missmut weit hinter sich und belegt, dass die
deutsche BŸrokratie nicht alles blockieren kann. Hin und wieder lŠdt der
Bundeskulturminister die Abgeordneten des Parlaments zu einem Kinobesuch ein.
Bisher galten solche Exkursionen meist bequem zu goutierenden Filmen wie
"Good bye, Lenin!" und "Das Leben der Anderen". In
"Neuland" werden unbequemere Fragen gestellt, unorthodoxe Wege in
eine offene Zukunft prŠsentiert. Es darf gestritten werden. Herr Neumann,
Ÿbernehmen Sie!
Der neue
Osten im neuen deutschen Film: Neuland Lichtblickkino ab heute 18 Uhr. GesprŠch
mit den Regisseuren Samstag 18.45 Uhr und Sonntag 19 Uhr.
Berliner Zeitung, 15.03.2007
Der
Dokumentarfilm "Neuland" zeigt die kleinen AufbrŸche im lŠndlichen
Ostdeutschland
Die
beiden Schornsteine des Kraftwerks Plessa (Elbe-Elster) sind mit ihren mehr als
hundert Metern Hšhe immer noch imposanter Blickfang im flachen SŸdbrandenburg.
Aber sie sind lŠngst kalt, 1992 ging das Braunkohlekraftwerk vom Netz.
Inzwischen haben beide Kamine einen Deckel bekommen, am vorderen prangt das
Wort "see" in wei§ auf blauem Grund. Es ist das Logo der
Internationalen Bauausstellung (IBA). Nachts wird es angeleuchtet. "Unsere
beiden Schornsteine werden vielleicht die einzigen von rund 1000 in der
gesamten Lausitz sein, die stehen bleiben", sagt Hajo Schubert. Der
55-JŠhrige mit imposantem Bauch und Backenbart war frŸher GewerkschaftssekretŠr
in West-Berlin, jetzt leitet er den Umbau der 80 Jahre alten Plessaer
Industrieruine zum "Erlebniskraftwerk". Am 1. Mai 1927 wurde hier die
erste Braunkohle verstromt, zum JubilŠum soll nach sechs Jahren Umbau die
Zukunft eingelŠutet werden. Das Datum ist symbolisch, fŸr einen
Ex-Gewerkschafter ohnehin. "Wir sollten den Tag der Arbeit in dieser
Gegend an Orten feiern, an denen es vielleicht einmal wieder Arbeit gibt",
sagt Schubert. "An Orten mit Zukunft."
Zu diesen PlŠtzen haben sich die Filmemacher Holger Lauinger und Daniel Kunle
begeben. FŸr ihren Dokumentarfilm "Neuland" bereisten sie
Landschaften, die noch immer ihrer einst versprochenen BlŸte harren. Verlorene
Flecken wie eben jenes Plessa, wo frŸher 300 Kraftwerker in Lohn und Brot
standen. Dort hat Hajo Schubert 4,5 Millionen Euro aus Mitteln der EuropŠischen
Union und der Braunkohlesanierung bekommen, jetzt will er Gasthausbrauerei, Energieberatung
und weitere Firmen in die Kraftwerkshallen locken. Noch ist nichts davon da.
Die ehemalige Kraftwerkskšchin Sonja Tomschak fŸhrt als ABM-Kraft durch die
GebŠude
Aber Hajo Schubert ist Ÿberzeugt vom nahenden Aufbruch. Genauso wie Andreas
Tornow im mecklenburgischen Varchenthin. Der GrŸnder des Biomassehofes MŸritz
schwŠrmt von den Chancen erneuerbarer Energien. "Der Energiemarkt beginnt
vor unseren Augen, er beginnt am nŠchsten Strommast, und die Konzerne mŸssen
mir alles abkaufen", ruft er in seinem breiten Mecklenburgisch Ÿber die
Weiden. "Es ist eine Aufbruchsstimmung wie 1990. Wenn das nicht
funktioniert, ich wei§ nicht, was in diesem Land noch gehen soll."
Danny HŸbner und Daniel Weller zŸchten Weinbergschnecken, zwischen PlastezŠunen
an einem Hang in Oelsnitz im Vogtland. Die Schnecken gehen zu
SpezialitŠtenhŠndlern nach Italien. "Heimlich lachen die Leute hier
wahrscheinlich Ÿber uns", glaubt Danny HŸbner. "Aber dass man sich
was traut, finden sie gut." Einen kleinen Teil seines Kapitals hat Danny
HŸbner einmal probiert. "Schmeckt nussig", sagt der junge Mann mit
Pferdeschwanz . "Aber ein Steak ist mir lieber."
Die Nischen des Ostens
Falk Selka setzt auf grš§ere Tiere: Er hŠlt rund hundert Bisons auf
rekultivierten FlŠchen am Rande eines Braunkohle-Tagebaus in Neukieritzsch bei
Leipzig. Selka hat lange Jahre in Kanada gelebt, dort ein Blockhaus-Hotel
betrieben. Dann kehrte er nach Sachsen zurŸck und brachte den zotteligen Kšnig
der PrŠrien mit. Er kann von den Bisons leben. Das meiste Geld macht Selka mit
dem Verkauf von Jungbullen an andere ZŸchter und Hobby-Bisonhalter. 30 bis 50
Tiere schie§t er pro Jahr, das Fleisch wird an Restaurants verschickt und im
Hofladen verkauft.
Schnecken, Bisons, Biomasse Ð in den Dšrfern des Ostens finden Pioniere ihre
Nische. Hier bietet sich ihnen genŸgend Platz, in Landstrichen, die von der
Politik abgeschrieben sind, in denen mit den Menschen auch die Hoffnung ihre
Koffer packt. "MšglichkeitsrŠume" hat dies der Autor Wolfgang Kil vor
drei Jahren in seinem Buch "Luxus der Leere" genannt. Von Kils Utopie
beeinflusst, haben sich die Filmemacher Holger Lauinger und Daniel Kunle auf
den Weg durch den Osten gemacht. Von "Neuland denken" hatte Kil
geschrieben. Hajo Schubert, Danny HŸbner oder Andreas Tornow sind nur einige
der vielen Protagonisten in "Neuland".
Es ist ihr zweiter Film. In ihrem Erstling "Nicht mehr Ð noch nicht"
haben sie sich mit Zwischennutzungen in der Stadt beschŠftigt, jetzt gehen sie
mit der Kamera aufs Land. Die wird aus dem Zugfenster gehalten und zeigt
zerbršselnde Industrieanlagen, vernagelte Bahnhofsfenster. Ausgangspunkt ist
das Grundgesetz-Postulat von den "gleichwertigen
LebensverhŠltnissen". In der ostdeutschen Peripherie ist dieser Anspruch
ebenso zerborsten wie es die Fenster der Bahnhofshallen sind. FŸr diese
Erkenntnis hŠtte es des Films nicht bedurft. Aber Lauinger und Kunle wollen
eine Gesellschaft zeigen, in der es Neues geben muss, damit vom Alten die Reste
gerettet werden kšnnen. Sie stellen die Frage: "Wo leben wir eigentlich?"
und trommeln fŸr einen "sozial-škologischen Umbau".
Ein Rathaus zum Verheizen
Der Film ist so angelegt, dass er auch selbst eine Stimmung des Aufbruchs
erzeugt. 20 Protagonisten haben Lauinger und Kunle befragt, die Hoffnungsvollen
kommen in der zweiten HŠlfte zu Wort, zuerst zeigen sie die Desillusionierten.
"Bleibe ich jetzt den Rest meines Lebens hier? Da gehe ich doch
unter", sagt ein Junge in Bitterfeld. Der Soziologe Andreas Willisch fasst
die Lage zusammen: "Wir haben eine Gesellschaft der Leere und der
Langeweile. Wir halten die Leute in einem gesellschaftlichen Spiel, dessen
Grundlagen erodieren."
Da kšnnte es besser sein, legt "Neuland" nahe, die Regeln selbst zu
schreiben. In einer Kommune in der ehemaligen Puppenfabrik im thŸringischen Waltershausen
steht JŸrgen Hšr vor dem gro§en Heizkessel und ruft freudestrahlend: "Wir
verheizen gerade das alte Rathaus." Neben ihm sitzt Lothar Mentz, der
immer schon im Ort wohnte. Er lebte allein und hatte Angst vor dem €lterwerden.
"Hier klopfen die morgens an meine TŸr, wenn ich nicht zum FrŸhstŸck
komme", sagt er.
Dass sie nur Fragmente der RealitŠt zeigen, ist Lauinger und Kunle bewusst.
Auch, dass viele ihrer Helden des "Neuen" schnell scheitern kšnnen.
Die beiden SchneckenzŸchter denken inzwischen ans Aufgeben. Mit ihrem Film
wollen sie touren, kŸndigte Holger Lauinger an. Dann aber wird er nachdenklich:
"Die Leute, die es schaffen, sind sehr aktiv, sehr kreativ. Aber was ist
mit den anderen? MŸssen jetzt alle kreativ und unternehmerisch sein?"
Einen kleinen Teil seines
Kapitals hat Danny HŸbner schon selbst aufgegessen. "Schmeckt
nussig", behauptet der junge Mann mit Pferdeschwanz und karierter
Arbeitsjacke. "Aber ein Steak ist mir lieber." Danny HŸbner zŸchtet
Weinbergschnecken an einem Hang in Oelsnitz im Vogtland. Er will von den
Schnecken leben, zusammen mit seinem Kumpel Daniel Weller. Die beiden haben BWL
studiert und fanden dann keinen Job in Sachsen. Jetzt verschicken sie Schnecken
an SpezialitŠtenhŠndler in Italien. "Heimlich lachen die Leute hier wahrscheinlich
Ÿber uns", glaubt Danny HŸbner. "Aber dass man sich was traut, finden
sie gut."
In den Dšrfern
Ostdeutschlands finden Pioniere ihre Nische. Hier gibt es genŸgend Platz - in
Landstrichen, die von der Politik bereits abgeschrieben sind, in denen zusammen
mit immer grš§eren Teilen der Bevšlkerung auch die Hoffnung ihre Koffer packt.
"MšglichkeitsrŠume", hat das der Berliner Autor Wolfgang Kil vor drei
Jahren in seinem Buch "Luxus der Leere" genannt. Von Kils Utopie
beeinflusst, haben sich die Filmemacher Holger Lauinger und Daniel Kunle auf
den Weg durch den Osten gemacht. "Neuland" hei§t ihr Film, der diesen
Weg dokumentiert.
Zu ihren Protagonisten
gehšrt auch Falk Selka: Er hŠlt Bisons in einer ehemaligen Tagebau-Halde in
Neukieritzsch bei Leipzig. Selka hat lange Jahre in Kanada gelebt, nach dem
Unfalltod seiner Frau kehrte er nach Sachsen zurŸck und brachte die zotteligen
PrŠriekšnige mit. Das meiste Geld macht Selka mit dem Verkauf von Jungbullen an
andere ZŸchter und Hobby-Bisonhalter. 30 bis 50 Tiere schie§t er pro Jahr, das
Fleisch wird an Restaurants verschickt und im Hofladen verkauft.
"Neuland" ist
der zweite Film von Lauinger und Kunle. In ihrem Erstling "Nicht mehr -
noch nicht" haben sie sich mit Zwischennutzungen in der Stadt beschŠftigt,
jetzt fahren sie raus. Sie halten die Kamera aus dem Zugfenster und zeigen ein
zerbršselndes Industriezeitalter. Der Ausgangspunkt fŸr ihren Film war das
Postulat von den "gleichwertigen LebensverhŠltnissen", wie es im
Grundgesetz steht. In der ostdeutschen Peripherie ist dieser Anspruch aber
ebenso zerborsten wie die Fenster der Bahnhofshallen.
FŸr diese Erkenntnis
allein hŠtte es natŸrlich des Films wei§ Gott nicht bedurft. Aber Lauinger und
Kunle wollen eine Gesellschaft zeigen, in der es Neues geben muss, damit vom
Alten die Reste gerettet werden kšnnen. Sie trommeln fŸr einen
"sozial-škologischen Umbau", ihr Film soll eine Stimmung des
Aufbruchs erzeugen. 20 Protagonisten haben Lauinger und Kunle dafŸr befragt,
vor den Hoffnungsvollen kommen die Desillusionierten zu Wort. "Bleibe ich
jetzt den Rest meines Lebens hier? Da gehe ich doch unter", sagt ein Junge
in Bitterfeld. Der Soziologe Andreas Willisch fasst die Lage zusammen:
"Wir haben eine Gesellschaft der Leere und der Langeweile. Wir halten die
Leute in einem gesellschaftlichen Spiel, dessen Grundlagen erodieren." Da
kšnnte es besser sein, legt "Neuland" nahe, die Regeln selbst zu
machen.
Dass sie nur Fragmente
der RealitŠt zeigen, ist Lauinger und Kunle bewusst. Auch, dass viele ihrer
Helden, die Neuland beschreiten, scheitern kšnnten - die beiden
SchneckenzŸchter denken inzwischen wieder ans Aufgeben. Mit ihrem Film wollen
sie touren, kŸndigte Holger Lauinger an und freut sich auf Diskussionen. Dann
aber wird er nachdenklich: "Die Leute, die es schaffen, sind sehr aktiv,
sehr kreativ. Aber was ist mit den anderen? MŸssen jetzt alle kreativ und
unternehmerisch sein?"
JAN STERNBERG
zitty
6/2007 (Stadtmagazin Berlin)
Den
lŠndlichen Regionen Ostdeutschlands, so mšchte man glauben, ist nicht mehr zu helfen.
Gegenden, die sogar von ihren Landesregierungen im Stich gelassen wurden. Die
fšrdern lieber gezielt Standorte mit Potenzial. Keine Chance auf Zukunft. Aber
stimmt das?
Achtzehn
Protagonisten fŸhren durch den Film durch den Film Neuland. Den Begriff haben die
Filmemacher Daniel Kunle und Holger Lauinger ausgesucht. Neuland ist ein wei§er
Fleck auf der Landkarte: eine Verhei§ung. Die beiden Filmemacher haben sich
einerseits auf jene konzentriert, die seit jeher hier leben, aber auch auf
diejenigen, die Hoffnungen haben: Kolonisten, Abenteurer, Pioniere.
In
Neulietzegšricke im Oderbruch beruft man sich auf die Vergangenheit: Hier war
einst eine Kolonie von Neusiedlern. Warum sollte das nicht wieder klappen? Das
Verschwinden von industriellen Strukturen eršffnet ja auch Mšglichkeiten. In
langen Einstellungen und Interviews zeichnen die Filmemacher ein komplexes Bild
der Situation im Osten. Sie reisen durch ausgebombt wirkende KleinstŠdte,
wandern durch WŸstenlandschaften und besuchen Montagsdemos. Anstatt
Perspektivlosigkeit und Depression nachzubeten, stellt der Film positive
AnsŠtze vor. Wie Studenten, die Schnecken zŸchten. Oder die frŸher kritisch
beŠugte Landkommune, die heute integriert ist.
Interessant! Mirko Heinemann
Zwischen Depression und Ironie
Filmbilder aus Deutschlands Osten im
Lichtblickkino an der Kastanienallee
Allbekannt: Das Umfeld prŠgt den Menschen.
Immer wieder spannend: Kann der Mensch das Umfeld zu seinen Gunsten verŠndern
oder auch nicht? Diese Frage prŠgt Kunst und Philosophie. Sie steht auch im
Zentrum vieler Kinofilme, die ein Bild der Gegenwart in Deutschlands Osten
zeichnen.
Die ErzŠhlspanne reicht dabei von schwerblŸtigen Dramen
bis zu erfrischender Ironie, wie eine kleine Reihe im Lichtblick-kino in der
Kastanienallee ab 16.3. zeigt. Spiegelt Valeska Griesebach in ihrem vorjŠhrigen
Berlinale-Erfolg "Sehnsucht" voller Pathos und DŸsternis vor allem
das Ausgeliefertsein ihrer Protagonisten und das daraus resultierende
Scheitern, beleuchtet Matthias Keilich in seiner skurrilen Komšdie "Die
Kšnige der Nutzholzgewinnung" mit leichter Hand die Chance des Einzelnen,
sich mit Witz und Einfallsreichtum zu behaupten. Dabei ist besonders
bemerkenswert, wie souverŠn hier DDR-Vergangenheit reflektiert wird.
Spielfilme wie diese im Blick, ist der Dokumentar-Essay
"Neuland" des Regieduos Daniel Kunle und Holger Lauinger besonders
aufschlussreich. Der Film hat am Sonnabend um 18.45 Uhr in Anwesenheit der
Regisseure seine UrauffŸhrung. Kunle und Lauinger erkunden den Alltag im Osten
Deutschlands mit nŸchterner Gelassenheit. Der Titel zielt auf die
Blickrichtung: Sie halten vor allem Ausschau nach Menschen, die sich auf
Neuland wagen, wie etwa zwei junge Leute, die ihr GlŸck als SchneckenzŸchter
versuchen, oder KŸnstler, die sich einfallsreich gegen Neonazis zur Wehr
setzen. Der Film offeriert keine Rezepte zur Sicherung der Zukunft oder zur
Wiederbelebung lŠngst totgesagter Regionen und Orte. Aber er zeigt, ohne die
Schattenseiten auszublenden: Der Osten lebt. Oft lauter und bunter als vermutet.
Da macht Kino sogar Mut. Bewertung 4
Aus der Berliner Morgenpost vom 15. MŠrz
2007