Berliner Zeitung 15.3.07

Das ist der wilde Osten

RALF SCHENK Ÿber den Luxus der Leere und das, was findige Leute daraus machen

Erinnern wir uns: Gleich nach der deutschen Vereinigung kamen zwei Komšdien ins Kino, die dem Osten ein rasantes Verschwinden von moderner Industrie und Landwirtschaft prophezeiten. In Vadim Glownas "Der Brocken" (1992), einer auf der Insel RŸgen spielenden Familiengeschichte, wandten sich die Einheimischen nach einer Phase der Resignation dem Kochen von KonfitŸre und dem Stricken von StrŸmpfen aus eigener Schafswolle zu. Schon zuvor hatte Wolfgang BŸlds "Das war der wilde Osten" (1990) gezeigt, wie ein liebenswerter Dresdner Tausendsassa eine kleine Gartenzwergfabrik erbt und mit ihr gleich eine ganze Region rettet. Die ostdeutsche Provinz, so meinte damals eine Kritikerin, erblŸhe in diesen Filmen "als lŠndliche Idylle, als vorindustrielles Paradies, als eine Art Garten Eden".

Das ist inzwischen durchaus keine heitere Utopie mehr. Au§er in einigen prosperierenden Regionen haben sich die grš§eren Industrien und die industrialisierte Landwirtschaft aus den fŸnf neuen LŠndern weitgehend verabschiedet. WŠhrend Soziologen schrumpfende StŠdte, leere Dšrfer und ŸberflŸssige Standorte konstatieren, will die Politik die Menschen auf eine Arbeitsgesellschaft vorbereiten, die es nie wieder geben wird, und simuliert Arbeit, die keiner mehr braucht. Mit einer solchen Bestandsaufnahme wollten sich Daniel Kunle und Holger Lauinger in ihrem Film "Neuland" (2006) nicht zufrieden geben. Stattdessen suchten sie nach Leuten, "die sich nicht dem scheinbar Notwendigen beugen, sondern die Chance zum Experimentieren freudig ergreifen, weil sie, statt Ÿberall Brachen und Verlust, lauter unerschlossene MšglichkeitsrŠume sehen", wie der Architekt und Publizist Wolfgang Kil in seinem Buch "Luxus der Leere" schreibt.

So erlebt die Vision aus dem "Brocken" in "Neuland" ihre vollkommen ernst gemeinte Wiederauferstehung. Zwei junge MŠnner aus dem Vogtland versuchen sich an einer Schneckenzucht und denken darŸber nach, bald auch den ersten vogtlŠndischen Wein anzubauen. Ein Bauer aus der NŠhe von Leipzig nutzt die versteppten FlŠchen ehemaliger Braunkohletagebaue, um hier seine Bisons zu weiden. In einem Dorf im Landkreis MŸritz denken Einwohner darŸber nach, wie sie die benštigte Energie aus der eigenen Landwirtschaft filtern kšnnen: "Dann bleibt die Wertschšpfung im Ort. Denn wir sehen nicht ein, dass die Energiekonzerne jedes Jahr rund 150 000 Euro aus unserem Dorf herausholen." Und in Sachsen-Anhalt wurde die KomplementŠrwŠhrung des Urstromtalers erfunden, um wirtschaftliche KreislŠufe im eigenen Umfeld anzukurbeln. Besinnung aufs Regionale als Alternative zur Globalisierung. Arbeit statt Arbeitslosigkeit, Ideen statt Klagemauern. Oder wie es ein Mann sagt, der ein stillgelegtes Kraftwerk in der Lausitz zu einer Schaubrauerei umbaut und auf einen Investor aus dem nahe gelegenen Bšhmen hofft: "Wir sind doch keine Insel der Frustrierten."

"Neuland", der in der Reihe "Der neue Osten im neuen deutschen Film" neben Produktionen wie Valeska Grisebachs "Sehnsucht" und Matthias Keilichs "Die Kšnige der Nutzholzgewinnung" lŠuft, ist ein lakonischer und polemischer Film. Er lŠsst Lethargie und Missmut weit hinter sich und belegt, dass die deutsche BŸrokratie nicht alles blockieren kann. Hin und wieder lŠdt der Bundeskulturminister die Abgeordneten des Parlaments zu einem Kinobesuch ein. Bisher galten solche Exkursionen meist bequem zu goutierenden Filmen wie "Good bye, Lenin!" und "Das Leben der Anderen". In "Neuland" werden unbequemere Fragen gestellt, unorthodoxe Wege in eine offene Zukunft prŠsentiert. Es darf gestritten werden. Herr Neumann, Ÿbernehmen Sie!

Der neue Osten im neuen deutschen Film: Neuland Lichtblickkino ab heute 18 Uhr. GesprŠch mit den Regisseuren Samstag 18.45 Uhr und Sonntag 19 Uhr.

Berliner Zeitung, 15.03.2007

 

 

MŠrkische Allgemeine 14.3.07  Jan Sternberg

"... dass man sich was traut"

Der Dokumentarfilm "Neuland" zeigt die kleinen AufbrŸche im lŠndlichen Ostdeutschland

 

Die beiden Schornsteine des Kraftwerks Plessa (Elbe-Elster) sind mit ihren mehr als hundert Metern Hšhe immer noch imposanter Blickfang im flachen SŸdbrandenburg. Aber sie sind lŠngst kalt, 1992 ging das Braunkohlekraftwerk vom Netz. Inzwischen haben beide Kamine einen Deckel bekommen, am vorderen prangt das Wort "see" in wei§ auf blauem Grund. Es ist das Logo der Internationalen Bauausstellung (IBA). Nachts wird es angeleuchtet. "Unsere beiden Schornsteine werden vielleicht die einzigen von rund 1000 in der gesamten Lausitz sein, die stehen bleiben", sagt Hajo Schubert. Der 55-JŠhrige mit imposantem Bauch und Backenbart war frŸher GewerkschaftssekretŠr in West-Berlin, jetzt leitet er den Umbau der 80 Jahre alten Plessaer Industrieruine zum "Erlebniskraftwerk". Am 1. Mai 1927 wurde hier die erste Braunkohle verstromt, zum JubilŠum soll nach sechs Jahren Umbau die Zukunft eingelŠutet werden. Das Datum ist symbolisch, fŸr einen Ex-Gewerkschafter ohnehin. "Wir sollten den Tag der Arbeit in dieser Gegend an Orten feiern, an denen es vielleicht einmal wieder Arbeit gibt", sagt Schubert. "An Orten mit Zukunft."

Zu diesen PlŠtzen haben sich die Filmemacher Holger Lauinger und Daniel Kunle begeben. FŸr ihren Dokumentarfilm "Neuland" bereisten sie Landschaften, die noch immer ihrer einst versprochenen BlŸte harren. Verlorene Flecken wie eben jenes Plessa, wo frŸher 300 Kraftwerker in Lohn und Brot standen. Dort hat Hajo Schubert 4,5 Millionen Euro aus Mitteln der EuropŠischen Union und der Braunkohlesanierung bekommen, jetzt will er Gasthausbrauerei, Energieberatung und weitere Firmen in die Kraftwerkshallen locken. Noch ist nichts davon da. Die ehemalige Kraftwerkskšchin Sonja Tomschak fŸhrt als ABM-Kraft durch die GebŠude

Aber Hajo Schubert ist Ÿberzeugt vom nahenden Aufbruch. Genauso wie Andreas Tornow im mecklenburgischen Varchenthin. Der GrŸnder des Biomassehofes MŸritz schwŠrmt von den Chancen erneuerbarer Energien. "Der Energiemarkt beginnt vor unseren Augen, er beginnt am nŠchsten Strommast, und die Konzerne mŸssen mir alles abkaufen", ruft er in seinem breiten Mecklenburgisch Ÿber die Weiden. "Es ist eine Aufbruchsstimmung wie 1990. Wenn das nicht funktioniert, ich wei§ nicht, was in diesem Land noch gehen soll."

Danny HŸbner und Daniel Weller zŸchten Weinbergschnecken, zwischen PlastezŠunen an einem Hang in Oelsnitz im Vogtland. Die Schnecken gehen zu SpezialitŠtenhŠndlern nach Italien. "Heimlich lachen die Leute hier wahrscheinlich Ÿber uns", glaubt Danny HŸbner. "Aber dass man sich was traut, finden sie gut." Einen kleinen Teil seines Kapitals hat Danny HŸbner einmal probiert. "Schmeckt nussig", sagt der junge Mann mit Pferdeschwanz . "Aber ein Steak ist mir lieber."

Die Nischen des Ostens

Falk Selka setzt auf grš§ere Tiere: Er hŠlt rund hundert Bisons auf rekultivierten FlŠchen am Rande eines Braunkohle-Tagebaus in Neukieritzsch bei Leipzig. Selka hat lange Jahre in Kanada gelebt, dort ein Blockhaus-Hotel betrieben. Dann kehrte er nach Sachsen zurŸck und brachte den zotteligen Kšnig der PrŠrien mit. Er kann von den Bisons leben. Das meiste Geld macht Selka mit dem Verkauf von Jungbullen an andere ZŸchter und Hobby-Bisonhalter. 30 bis 50 Tiere schie§t er pro Jahr, das Fleisch wird an Restaurants verschickt und im Hofladen verkauft.

Schnecken, Bisons, Biomasse Ð in den Dšrfern des Ostens finden Pioniere ihre Nische. Hier bietet sich ihnen genŸgend Platz, in Landstrichen, die von der Politik abgeschrieben sind, in denen mit den Menschen auch die Hoffnung ihre Koffer packt. "MšglichkeitsrŠume" hat dies der Autor Wolfgang Kil vor drei Jahren in seinem Buch "Luxus der Leere" genannt. Von Kils Utopie beeinflusst, haben sich die Filmemacher Holger Lauinger und Daniel Kunle auf den Weg durch den Osten gemacht. Von "Neuland denken" hatte Kil geschrieben. Hajo Schubert, Danny HŸbner oder Andreas Tornow sind nur einige der vielen Protagonisten in "Neuland".

Es ist ihr zweiter Film. In ihrem Erstling "Nicht mehr Ð noch nicht" haben sie sich mit Zwischennutzungen in der Stadt beschŠftigt, jetzt gehen sie mit der Kamera aufs Land. Die wird aus dem Zugfenster gehalten und zeigt zerbršselnde Industrieanlagen, vernagelte Bahnhofsfenster. Ausgangspunkt ist das Grundgesetz-Postulat von den "gleichwertigen LebensverhŠltnissen". In der ostdeutschen Peripherie ist dieser Anspruch ebenso zerborsten wie es die Fenster der Bahnhofshallen sind. FŸr diese Erkenntnis hŠtte es des Films nicht bedurft. Aber Lauinger und Kunle wollen eine Gesellschaft zeigen, in der es Neues geben muss, damit vom Alten die Reste gerettet werden kšnnen. Sie stellen die Frage: "Wo leben wir eigentlich?" und trommeln fŸr einen "sozial-škologischen Umbau".

Ein Rathaus zum Verheizen

Der Film ist so angelegt, dass er auch selbst eine Stimmung des Aufbruchs erzeugt. 20 Protagonisten haben Lauinger und Kunle befragt, die Hoffnungsvollen kommen in der zweiten HŠlfte zu Wort, zuerst zeigen sie die Desillusionierten. "Bleibe ich jetzt den Rest meines Lebens hier? Da gehe ich doch unter", sagt ein Junge in Bitterfeld. Der Soziologe Andreas Willisch fasst die Lage zusammen: "Wir haben eine Gesellschaft der Leere und der Langeweile. Wir halten die Leute in einem gesellschaftlichen Spiel, dessen Grundlagen erodieren."

Da kšnnte es besser sein, legt "Neuland" nahe, die Regeln selbst zu schreiben. In einer Kommune in der ehemaligen Puppenfabrik im thŸringischen Waltershausen steht JŸrgen Hšr vor dem gro§en Heizkessel und ruft freudestrahlend: "Wir verheizen gerade das alte Rathaus." Neben ihm sitzt Lothar Mentz, der immer schon im Ort wohnte. Er lebte allein und hatte Angst vor dem €lterwerden. "Hier klopfen die morgens an meine TŸr, wenn ich nicht zum FrŸhstŸck komme", sagt er.

Dass sie nur Fragmente der RealitŠt zeigen, ist Lauinger und Kunle bewusst. Auch, dass viele ihrer Helden des "Neuen" schnell scheitern kšnnen. Die beiden SchneckenzŸchter denken inzwischen ans Aufgeben. Mit ihrem Film wollen sie touren, kŸndigte Holger Lauinger an. Dann aber wird er nachdenklich: "Die Leute, die es schaffen, sind sehr aktiv, sehr kreativ. Aber was ist mit den anderen? MŸssen jetzt alle kreativ und unternehmerisch sein?"

 

 

 

taz 15.3.07

Schnecken schmecken

Holger Lauinger und Daniel Kunle haben eine Reise durchs lŠndliche Ostdeutschland unternommen. In ihrem Dokumentarfilm "Neuland" zeigen sie die kleinen Hoffnungsschimmer einer Gesellschaft im Niedergang

Einen kleinen Teil seines Kapitals hat Danny HŸbner schon selbst aufgegessen. "Schmeckt nussig", behauptet der junge Mann mit Pferdeschwanz und karierter Arbeitsjacke. "Aber ein Steak ist mir lieber." Danny HŸbner zŸchtet Weinbergschnecken an einem Hang in Oelsnitz im Vogtland. Er will von den Schnecken leben, zusammen mit seinem Kumpel Daniel Weller. Die beiden haben BWL studiert und fanden dann keinen Job in Sachsen. Jetzt verschicken sie Schnecken an SpezialitŠtenhŠndler in Italien. "Heimlich lachen die Leute hier wahrscheinlich Ÿber uns", glaubt Danny HŸbner. "Aber dass man sich was traut, finden sie gut."

In den Dšrfern Ostdeutschlands finden Pioniere ihre Nische. Hier gibt es genŸgend Platz - in Landstrichen, die von der Politik bereits abgeschrieben sind, in denen zusammen mit immer grš§eren Teilen der Bevšlkerung auch die Hoffnung ihre Koffer packt. "MšglichkeitsrŠume", hat das der Berliner Autor Wolfgang Kil vor drei Jahren in seinem Buch "Luxus der Leere" genannt. Von Kils Utopie beeinflusst, haben sich die Filmemacher Holger Lauinger und Daniel Kunle auf den Weg durch den Osten gemacht. "Neuland" hei§t ihr Film, der diesen Weg dokumentiert.

Zu ihren Protagonisten gehšrt auch Falk Selka: Er hŠlt Bisons in einer ehemaligen Tagebau-Halde in Neukieritzsch bei Leipzig. Selka hat lange Jahre in Kanada gelebt, nach dem Unfalltod seiner Frau kehrte er nach Sachsen zurŸck und brachte die zotteligen PrŠriekšnige mit. Das meiste Geld macht Selka mit dem Verkauf von Jungbullen an andere ZŸchter und Hobby-Bisonhalter. 30 bis 50 Tiere schie§t er pro Jahr, das Fleisch wird an Restaurants verschickt und im Hofladen verkauft.

"Neuland" ist der zweite Film von Lauinger und Kunle. In ihrem Erstling "Nicht mehr - noch nicht" haben sie sich mit Zwischennutzungen in der Stadt beschŠftigt, jetzt fahren sie raus. Sie halten die Kamera aus dem Zugfenster und zeigen ein zerbršselndes Industriezeitalter. Der Ausgangspunkt fŸr ihren Film war das Postulat von den "gleichwertigen LebensverhŠltnissen", wie es im Grundgesetz steht. In der ostdeutschen Peripherie ist dieser Anspruch aber ebenso zerborsten wie die Fenster der Bahnhofshallen.

FŸr diese Erkenntnis allein hŠtte es natŸrlich des Films wei§ Gott nicht bedurft. Aber Lauinger und Kunle wollen eine Gesellschaft zeigen, in der es Neues geben muss, damit vom Alten die Reste gerettet werden kšnnen. Sie trommeln fŸr einen "sozial-škologischen Umbau", ihr Film soll eine Stimmung des Aufbruchs erzeugen. 20 Protagonisten haben Lauinger und Kunle dafŸr befragt, vor den Hoffnungsvollen kommen die Desillusionierten zu Wort. "Bleibe ich jetzt den Rest meines Lebens hier? Da gehe ich doch unter", sagt ein Junge in Bitterfeld. Der Soziologe Andreas Willisch fasst die Lage zusammen: "Wir haben eine Gesellschaft der Leere und der Langeweile. Wir halten die Leute in einem gesellschaftlichen Spiel, dessen Grundlagen erodieren." Da kšnnte es besser sein, legt "Neuland" nahe, die Regeln selbst zu machen.

Dass sie nur Fragmente der RealitŠt zeigen, ist Lauinger und Kunle bewusst. Auch, dass viele ihrer Helden, die Neuland beschreiten, scheitern kšnnten - die beiden SchneckenzŸchter denken inzwischen wieder ans Aufgeben. Mit ihrem Film wollen sie touren, kŸndigte Holger Lauinger an und freut sich auf Diskussionen. Dann aber wird er nachdenklich: "Die Leute, die es schaffen, sind sehr aktiv, sehr kreativ. Aber was ist mit den anderen? MŸssen jetzt alle kreativ und unternehmerisch sein?"
JAN STERNBERG

 

zitty 6/2007 (Stadtmagazin Berlin)

 

Den lŠndlichen Regionen Ostdeutschlands, so mšchte man glauben, ist nicht mehr zu helfen. Gegenden, die sogar von ihren Landesregierungen im Stich gelassen wurden. Die fšrdern lieber gezielt Standorte mit Potenzial. Keine Chance auf Zukunft. Aber stimmt das?

Achtzehn Protagonisten fŸhren durch den Film durch den Film Neuland. Den Begriff haben die Filmemacher Daniel Kunle und Holger Lauinger ausgesucht. Neuland ist ein wei§er Fleck auf der Landkarte: eine Verhei§ung. Die beiden Filmemacher haben sich einerseits auf jene konzentriert, die seit jeher hier leben, aber auch auf diejenigen, die Hoffnungen haben: Kolonisten, Abenteurer, Pioniere.

In Neulietzegšricke im Oderbruch beruft man sich auf die Vergangenheit: Hier war einst eine Kolonie von Neusiedlern. Warum sollte das nicht wieder klappen? Das Verschwinden von industriellen Strukturen eršffnet ja auch Mšglichkeiten. In langen Einstellungen und Interviews zeichnen die Filmemacher ein komplexes Bild der Situation im Osten. Sie reisen durch ausgebombt wirkende KleinstŠdte, wandern durch WŸstenlandschaften und besuchen Montagsdemos. Anstatt Perspektivlosigkeit und Depression nachzubeten, stellt der Film positive AnsŠtze vor. Wie Studenten, die Schnecken zŸchten. Oder die frŸher kritisch beŠugte Landkommune, die heute integriert ist.

Interessant!       Mirko Heinemann

 

Zwischen Depression und Ironie

Filmbilder aus Deutschlands Osten im Lichtblickkino an der Kastanienallee

Allbekannt: Das Umfeld prŠgt den Menschen. Immer wieder spannend: Kann der Mensch das Umfeld zu seinen Gunsten verŠndern oder auch nicht? Diese Frage prŠgt Kunst und Philosophie. Sie steht auch im Zentrum vieler Kinofilme, die ein Bild der Gegenwart in Deutschlands Osten zeichnen.

Die ErzŠhlspanne reicht dabei von schwerblŸtigen Dramen bis zu erfrischender Ironie, wie eine kleine Reihe im Lichtblick-kino in der Kastanienallee ab 16.3. zeigt. Spiegelt Valeska Griesebach in ihrem vorjŠhrigen Berlinale-Erfolg "Sehnsucht" voller Pathos und DŸsternis vor allem das Ausgeliefertsein ihrer Protagonisten und das daraus resultierende Scheitern, beleuchtet Matthias Keilich in seiner skurrilen Komšdie "Die Kšnige der Nutzholzgewinnung" mit leichter Hand die Chance des Einzelnen, sich mit Witz und Einfallsreichtum zu behaupten. Dabei ist besonders bemerkenswert, wie souverŠn hier DDR-Vergangenheit reflektiert wird.

Spielfilme wie diese im Blick, ist der Dokumentar-Essay "Neuland" des Regieduos Daniel Kunle und Holger Lauinger besonders aufschlussreich. Der Film hat am Sonnabend um 18.45 Uhr in Anwesenheit der Regisseure seine UrauffŸhrung. Kunle und Lauinger erkunden den Alltag im Osten Deutschlands mit nŸchterner Gelassenheit. Der Titel zielt auf die Blickrichtung: Sie halten vor allem Ausschau nach Menschen, die sich auf Neuland wagen, wie etwa zwei junge Leute, die ihr GlŸck als SchneckenzŸchter versuchen, oder KŸnstler, die sich einfallsreich gegen Neonazis zur Wehr setzen. Der Film offeriert keine Rezepte zur Sicherung der Zukunft oder zur Wiederbelebung lŠngst totgesagter Regionen und Orte. Aber er zeigt, ohne die Schattenseiten auszublenden: Der Osten lebt. Oft lauter und bunter als vermutet. Da macht Kino sogar Mut. Bewertung 4

Aus der Berliner Morgenpost vom 15. MŠrz 2007